von Harald Baumann-Hasske
Kaum einer hat es bisher gemerkt: Am 7. Juni steht die Europawahl an. Und diesmal ist es wirklich wichtig. Denn Europa soll mit dem Vertrag von Lissabon demnächst – hoffentlich - demokratischer werden. Wenn die Iren den Vertrag noch annehmen - alle anderen haben schon zugestimmt. Dann kann in Europa über Vieles mit Mehrheit abgestimmt werden. Dann können kleine Staaten soziale Rechte in Europa nicht mehr blockieren.
Umgekehrt könnte aber die Mehrheit für ein wirtschaftsliberales und gegen das soziale Europa stimmen. Deshalb brauchen wir im demokratischeren Europa dringend Mehrheiten für eine soziale, an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Politik. Zu allererst brauchen wir diese Mehrheiten im Parlament. Es geht um die Richtung: sozial und demokratisch oder weiter so mit der Wirtschaftsunion. Die Finanz- und Wirtschaftskrise lehrt uns: Wie bisher kann es nicht weitergehen. Es geht nicht, jetzt den Ausweg aus der Krise zu suchen und dann weiter so zu machen, bis zur nächsten Krise.
Unsere Gesellschaft braucht Entwicklung, um für alle soziale Sicherheit zu schaffen und neue Chancen zu geben. Wir müssen das System verbessern, aus Fehlern lernen, sie für die Zukunft ausschließen. Das muss in Europa geschehen, weil es sich nicht auf Deutschland beschränken lässt.
In Europa haben die Sorben in der Lausitz eine wichtige Funktion: Sie sind eine kulturelle Brücke zwischen Deutschland und seinen slawischen Nachbarn. Wenn wir in diesen Tagen 60 Jahre Grundgesetz feiern, erinnern wir uns auch, dass die Slawen unter uns Deutschen vor dieser Zeit unsäglich gelitten haben. In dieser Zeit hat es große Gesten der Versöhnung gegeben: Willy Brandts Kniefall in Warschau war eine davon. Viele kleine Schritte haben aber zusätzlich Vertrauen geschaffen, und davon wieder viele wären ohne die Sorben als Freunde und Nachbarn diesseits und jenseits der Grenzen gar nicht denkbar gewesen. Heute gibt es keine Grenzen mehr - die Region wächst zusammen.
Das birgt auch neue Probleme an den alten Grenzen: aus Wohlstandsgrenzen ist ein Wohlstandgefälle geworden, die Nachbarn holen auf, aber wir selbst haben Furcht, die Angleichung könnte bei uns zur Bewegung nach unten führen. Die Wirtschaftsdaten sagen anderes, unsere Arbeitslosigkeit hat strukturelle Ursachen und nichts mit der Konkurrenz aus Polen und Tschechien zu tun. Umgekehrt fürchtet man dort, vom großen, starken Deutschland majorisiert zu werden. Es sind gefühlte Probleme, weniger tatsächliche. Zusammenwachsen heißt, gefühlte Sorgen auf tatsächliche Probleme zu reduzieren und diese dann pragmatisch zu lösen. Das gilt in Europa an allen Grenzen; in der Lausitz ist es Dank den Sorben kulturell einfacher.
Wir Sozialdemokraten sehen es nicht nur als unsere verfassungsmäßige Pflicht an, die Sorben zu fördern und - wo nötig - zu stützen, wir tun es auch gerne. Wir haben in den großen Koalitionen in Sachsen, Brandenburg und Berlin unseren Beitrag dazu geleistet, dass Ruhe in die streitigen Angelegenheiten kam und die Einrichtungen weiter und mehr gefördert werden. Die Sorben sind ein wichtiges Stück angestammter und gewachsener Vielfalt in Deutschland mit einem besonderen Gefühl für die Rechte und Notwendigkeiten kultureller Minderheiten. Diese Interessen sind bei Sozialdemokraten immer in den besten Händen - in Sachsen, Berlin und Europa.
Harald Baumann-Hasske ist Rechtsanwalt in Dresden und Kandidat der SPD zur Europawahl